KI-gestützte Korrektur in der Praxis
Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur effizienten Klausurbewertung
Nach dem großen Interesse an meinem ersten Artikel zur De-Implementierung von Korrektur – und zahlreichen Rückfragen von Kolleginnen und Kollegen – möchte ich nun konkreter werden. Der vorherige Beitrag (hier nachzulesen: De-Implementierung von Korrektur) hatte die grundsätzliche Problematik klassischer Korrekturverfahren sowie die Potenziale KI-gestützter Rückmeldungen ausführlich beleuchtet. Dabei ging es vor allem um den didaktischen Rahmen, das zugrundeliegende Konzept und erste Erfahrungen aus einem Feldversuch.
Inzwischen habe ich die Methode erneut erprobt – diesmal im Rahmen der jüngsten Klausur meines Englischkurses in Jahrgang 11 – und möchte nun den zweiten Schritt gehen: eine präzise, kleinschrittige Anleitung. Viele Leserinnen und Leser hatten sich gewünscht, das Verfahren nicht nur konzeptionell, sondern auch ganz konkret nachvollziehen zu können.
Welche Materialien nutze ich? Wie funktioniert das Zusammenspiel von Scannen, Transkribieren und strukturierter KI-Korrektur? Wie formuliere ich Prompts so, dass sie steuernd und effizient wirken, ohne die Verantwortung der Lehrkraft zu ersetzen? Und wie gelingt es schließlich, ein individualisiertes Feedback zu erzeugen, das den Schülerinnen und Schülern mehr bietet als klassische Randkommentare?
Dieser Artikel soll daher eine Art Werkzeugkasten 🧰 für alle sein, die KI-gestützte Rückmeldung im schulischen Kontext für sich ausprobieren oder weiterentwickeln möchten. Hier folgt nun Schritt für Schritt, wie ich konkret vorgegangen bin: von der handschriftlichen Klausur über die digitale Markierung bis zur Formulierung eines individuellen Feedbackgutachtens. Ziel ist dabei nicht nur eine Entlastung im Korrekturprozess, sondern vor allem eine Aufwertung – hin zu einem Format, das Lernen begleitet und nicht nur bewertet.
📝 Ausgangspunkt: Die Klausur zur Animal Farm
Das folgende Praxisbeispiel basiert auf einer 90-minütigen Klausur in meinem Englischkurs der Jahrgangsstufe 11. Der erste Teil der Klausur bestand aus einem Leseverstehensteil, auf den hier nicht näher eingegangen wird – er soll hier lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Der Fokus liegt auf dem produktiven Teil, also der Schreibaufgabe und ihrer Korrektur mit KI-Unterstützung.
Die Schreibaufgabe knüpft unmittelbar an unsere Unterrichtsreihe zu George Orwells Animal Farm an, die wir nicht nur literarisch, sondern auch im gesellschaftspolitischen Kontext besprochen haben. Insbesondere aktuelle Diskussionen über Bücherverbote an amerikanischen Schulen – und deren politische Dimension – bildeten eine thematische Brücke zur abschließenden Klausur.
Die Aufgabenstellung war bewusst realitätsnah angelegt: Die Schüler:innen sollten sich vorstellen, dass der amerikanische Präsident ein landesweites Verbot von Animal Farm ausgesprochen hat. In einem adressatengerechten Brief an die Bildungsministerin Linda McMahon sollten sie sich dazu positionieren, ihre Meinung äußern und ihre Argumentation auf das im Unterricht erarbeitete Wissen zur Novelle stützen.
Die vollständige Klausuraufgabe kann hier eingesehen werden: Klausur Animal Farm
Alle weiteren Materialien, die im Rahmen dieses Korrekturverfahrens verwendet wurden – darunter Erwartungshorizont, Bewertungsraster, Musterlösung etc. – stehen hier zum Download bereit: Dateiordner (Dropbox)
🖨️ Vom Papier zur KI: Handschrifterkennung mit ChatGPT
Im ersten Durchlauf meines Korrekturverfahrens hatte ich alle Schülertexte noch selbst abgetippt – ein Schritt, der zwar weniger zeitaufwendig war als befürchtet, aber dennoch unnötig Ressourcen band. Dieses Mal konnte ich mir diesen Zwischenschritt weitgehend sparen, denn: Mit dem Modell GPT-4o gelingt die Transkription handschriftlicher Klausuren inzwischen erstaunlich zuverlässig. Natürlich ist eine gewisse Nachkorrektur manchmal nötig – etwa bei besonders schwer lesbarer Handschrift oder unklaren Einfügungen – doch insgesamt bedeutet diese Möglichkeit eine spürbare Arbeitsentlastung. Entscheidend ist dabei ein klar formulierter Prompt, der die KI zu einer präzisen, aber nicht interpretierenden Abschrift anleitet. Ich habe folgenden Prompt verwendet (und kann ihn zur Nachnutzung sehr empfehlen):
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Ich lade dir gleich einen handschriftlichen Text als Bild hoch. Bitte arbeite in zwei genau definierten Schritten. Es ist dabei entscheidend, dass keine sprachlichen oder formalen Änderungen vorgenommen werden – es geht ausschließlich um die exakte digitale Wiedergabe des Originals.
🔹 Schritt 1: Reiner Abschrieb (zeilenweise)
Schreibe den Text exakt so ab, wie er im Original zu sehen ist, das heißt:
- Behalte die Zeilenumbrüche exakt bei (also gleiche Wortanzahl pro Zeile, wie auf dem Bild sichtbar),
- Erhalte alle sprachlichen Fehler (Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung etc.),
- Erhalte alle Streichungen, Korrekturen, Wiederholungen, Sonderzeichen, Einfügungen usw., genau wie sie im Bild erscheinen,
- Erhalte Absätze und Leerzeilen exakt wie im Original,
- Gib keine Zeilennummern aus dem Schülerdokument wieder und füge auch keine hinzu,
- Füge jedoch eine Seitenangabe (z. B. „Seite 1“) oberhalb jedes Seitenabschnitts ein, um die Gliederung zu wahren,
- Gib nichts zusätzlich ein, und nimm keinerlei Korrekturen vor.
Am Ende von Schritt 1 frage bitte:
„Möchtest du nun Schritt 2 – also die kopierfähige Abschrift mit Absätzen, aber ohne Zeilenumbrüche innerhalb der Absätze?“
🔹 Schritt 2: Kopierfähige Abschrift (absatzweise, aber fehlergenau)
Wenn ich den zweiten Schritt bestätige, dann:
- Erstelle eine kopierfähige Textfassung des handschriftlichen Originals,
- Erhalte alle Absätze (wie im Original sichtbar),
- Entferne nur die Zeilenumbrüche innerhalb der Absätze, sodass jeder Absatz flüssig lesbar ist,
- Erhalte alle sprachlichen Besonderheiten und Fehler, Streichungen, Wiederholungen, Sonderzeichen etc., exakt wie sie im Original stehen,
- Gib keine Seitenangaben wieder, damit der Text direkt weiterverarbeitet werden kann.
Wichtig: Auch in Schritt 2 gilt: Keine sprachlichen Korrekturen oder stilistischen Glättungen!
Es handelt sich um eine authentische Abschrift, nur formatiert zur leichteren Weiterverarbeitung.
Nach Eingabe dieses Prompts fordert die KI dazu auf, ein Bild der handschriftlichen Klausur hochzuladen. Wichtig ist dabei: Der Name des Schülers oder der Schülerin muss vor dem Hochladen unkenntlich gemacht werden. Das Bild muss im jpg-Format vorliegen – PDF-Dateien werden nicht akzeptiert. Ich habe testweise auch Schwarzweiß-Scans verwendet, was problemlos funktioniert hat, aber farbige Bilder sind ebenfalls geeignet.
Im ersten Schritt liefert die KI eine Transkription, die exakt den Zeilenumbrüchen des Originals folgt – ein entscheidender Vorteil, wenn man die Fehlerstellen später direkt im Text markieren möchte:
Bei Bedarf kann man anschließend die Umformatierung in Absätze anstoßen (Schritt 2). Gerade bei Schülertexten ohne klaren Absatzbau kann das hilfreich sein. Ich persönlich tendiere jedoch meist dazu, den Text im ursprünglichen Layout zu belassen – gerade weil sich so beim späteren Korrigieren gezielter arbeiten lässt.
Die fertigen Transkriptionen speichere ich anschließend gesammelt in Apple Notes. Dort lassen sie sich übersichtlich ablegen und später problemlos in die KI einkopieren, wenn es an die eigentliche Korrektur geht. Ich scanne und transkribiere zunächst alle Klausuren, bevor ich mit der Korrektur beginne – das spart einerseits Zeit, andererseits hat man dann vor dem Korrigieren alle Texte mindestens einmal überflogen.
Und tatsächlich: Auch wenn man geübt ist im schnellen Tippen, ist dieses Verfahren deutlich effizienter als das händische Abtippen. Besonders bemerkenswert ist, wie zuverlässig ChatGPT inzwischen selbst mit eher schwieriger Handschrift umgehen kann – ein echter Vorteil für den Korrekturalltag; ich glaube jeder weiß, wie sehr sich Schülerinnen und Schüler in ihrer Schrift unterscheiden können.
🛠️ Vorbereitung der Korrektur: Materialien, Struktur & Prompt
Bevor die eigentliche Korrektur beginnt, kopiere ich zunächst den zentralen Korrektur-Prompt sowie alle relevanten Dokumente in das Chatfenster der KI. Meine Erfahrung zeigt: Durch diese klaren Vorgaben läuft der anschließende Prozess deutlich reibungsloser – die KI arbeitet strukturierter, zielgerichteter und bleibt in den Bahnen, die ich vorgegeben habe. Genau das ist entscheidend, damit mir das Verfahren am Ende tatsächlich Arbeit abnimmt, anstatt neue Baustellen zu eröffnen.
Ich nutze denselben Korrektur-Prompt, den ich bereits im ersten Artikel vorgestellt habe. Er legt das Verfahren Schritt für Schritt fest – von der Markierung sprachlicher Fehler bis zur strukturierten Erstellung des Feedbacks. Damit erhält die KI nicht nur eine klare Aufgabe, sondern auch klares Gerüst, an dem sie sich orientieren kann.
Prompt zur Korrektur und Bewertung von Englischklausuren nach dem Prinzip der De-Implementierung
Ich stelle dir eine Englischklausur zur Verfügung, einschließlich:
- Aufgabenstellung
- Schülertext
- Erwartungshorizont für Inhalt und Sprache (inklusive erwartetem Niveau nach GeR)
- Musterlösung der Klausur bzw. Mustertext (so soll es also aussehen im Idealfall; wichtig: Bei comment muss nur für eine Position argumentiert werden, es muss nicht pro und contra abgewogen werden)
- Bewertungsraster für Sprache (inklusive erwartetem Niveau nach GeR) und Inhalt
- Beispielfeedback (wichtig für Teilschritt 7 bei Sprachlicher Korrektur und Teilschritt 4 bei Inhaltlicher Korrektur; es soll sich an der Struktur und dem Aufbau orientieren, um ein individuelles und lernförderliches Feedback für den Schüler zu erstellen)
Unser Ziel ist es, die Klausur effizient und lernförderlich zu korrigieren, indem wir uns an den Prinzipien der De-Implementierung orientieren. Das bedeutet:
- Kein klassisches Vollkorrekturverfahren, sondern eine gezielte Markierung von sprachlichen Schwächen.
- Fokus auf lernförderliches Feedback, das nicht nur auf Fehler hinweist, sondern auch konkrete Schritte zur Verbesserung vorschlägt.
- Reduktion des Korrekturaufwands bei gleichzeitiger Erhöhung der Effektivität für die Schüler.
Hinweise zur Textform (Ergänzung zum Umgang mit Transkripten handschriftlicher Klausuren):
Bitte beachte:
- Die Schülertexte liegen als transkribierte Versionen vor, die ggf. Streichungen, Ergänzungen (z. B. durch Sternchen) oder andere im Original handschriftlich markierte Veränderungen enthalten.
- Diese gestalterischen Elemente sind Teil des authentischen Schülertextes und sollen nicht als sprachliche Fehler markiert werden.
- Nur sprachlich fehlerhafte Formulierungen werden fett markiert und kommentiert. Gestaltungselemente wie durchgestrichene Wörter oder eingefügte Sternchen dienen der Nachvollziehbarkeit des Schreibprozesses und sind nicht Gegenstand der Bewertung, sofern sie nicht mit einem sprachlichen Fehler einhergehen.
Schritt 1: Sprachliche Korrektur
Ich gebe dir einen Schülertext.
Du gibst mir den Text unverändert zurück – das Original bleibt unangetastet!
Statt Fehler zu korrigieren, fett markierst du sprachlich fehlerhafte Stellen (falsche Wörter, unklare Phrasen, Grammatikfehler, Rechtschreibfehler, Zeichensetzungsfehler, Abweichungen vom Erwartungshorizont). In Klammern dahinter setzt du kurze Erklärungen, warum die Stelle fehlerhaft ist.
Markiere bitte auch den unpassenden Gebrauch von Pronomina (you, we, our) sowie Abkürzungsformen (gonna, wanna, don’t, doesn’t, it’s, isn’t, didn’t etc.) und sonstige umgangssprachliche Floskeln, die nicht zur Formalität des Textes passen.
Ich übernehme die Markierungen in den Schülertext.
Falls keine weiteren Anmerkungen nötig sind, schlägst du eine Note für die sprachliche Leistung vor, basierend auf dem Bewertungsraster und der Musterlösung.
Ich überprüfe die Note, stimme zu oder ergänze etwas.
Gemeinsam formulieren wir ein präzises, aber kompaktes Feedback zur sprachlichen Leistung (max. eine DIN-A4-Seite in Arial 11).
Bitte orientiere dich an der Struktur und dem Aufbau des Beispielfeedbacks.
Das Feedback enthält:
Stärken & Schwächen der sprachlichen Leistung
Konkrete Verbesserungsschritte, die über allgemeine Hinweise hinausgehen. Diese sollten gezielte Ratschläge beinhalten, wie der Schüler seine Sprache durch konkrete Übungen, Methoden oder Hilfsmittel verbessern kann.
Schritt 2: Inhaltliche Korrektur
Du vergleichst die inhaltliche Leistung des Schülers mit dem Erwartungshorizont und stellst mir die wichtigsten Erkenntnisse vor.
Du schlägst eine Note für den Inhalt vor.
Ich überprüfe die Note, stimme zu oder ergänze etwas.
Gemeinsam formulieren wir ein begründetes Feedback zur inhaltlichen Leistung (max. eine DIN-A4-Seite in Arial 11).
Bitte orientiere dich an der Struktur und dem Aufbau des Beispielfeedbacks.
Das Feedback enthält:
Stärken & Schwächen der inhaltlichen Leistung
Verbesserungspotenzial, das bereits konkrete Verbesserungstipps enthält. Diese Tipps sind direkt in die Analyse der Schwächen integriert, anstatt als separater Vorschlag formuliert zu werden.
Wichtige Grundsätze dieses Verfahrens:
• Der Schülertext bleibt vollständig erhalten. Keine Änderungen am Original – nur fehlerhafte Stellen werden markiert.
• Fehleridentifikation durch Markierung, nicht Korrektur. Der Schüler soll aktiv seine Fehler reflektieren.
• Feedback ist kompakt, aber präzise. Nicht mehr als eine DIN-A4-Seite pro Bereich (Sprache & Inhalt).
• Effektiver, zeitsparender Korrekturprozess. De-Implementierung bedeutet gezielte Rückmeldung statt Vollkorrektur.
Nach Abschluss einer Klausur fahren wir mit der nächsten fort.
Gleichzeitig mit dem Prompt lade ich alle notwendigen Materialien (Link zu den Dateien) hoch, die der KI als Grundlage für ihre Bewertung dienen:
die Klausuraufgabe
die erweiterte Bewertungsmatrix für Sprache (B1+/B2)
der Erwartungshorizont für die inhaltliche Leistung
eine selbst verfasste Musterlösung
mehrere Beispielfeedbacks zur Orientierung in Aufbau und Stil
Zur Weiterverarbeitung der Texte nutze ich auf dem Mac PurePaste, um die Rückmeldungen aus dem Chatfenster direkt und ohne Formatierungsprobleme in ein Word-Dokument (vgl. Worddokument zu Max Mustermann im Sammelordner) zu übertragen. So lässt sich jedes Feedback anschließend passgenau als persönlicher Feedbackbogen an den/die jeweilige/n Schüler/in zurückgeben. Die KI fragt nun nach dem ersten Schülertext:
🖍️ Sprachliche Korrektur: Markieren statt Kommentieren
Ich kopiere den transkribierten Schülertext in das Chatfenster – und warte auf die Rückmeldung der KI. Sie markiert dabei alle sprachlich fehlerhaften Stellen fett und ergänzt direkt in Klammern eine kurze, prägnante Erläuterung zum jeweiligen Fehler. Der Originaltext bleibt dabei vollständig erhalten – es werden weder Formulierungen ersetzt noch Absätze umgestellt. Ein Beispiel wie es in der Praxis aussieht:
Dieser erste Schritt verläuft in der Regel zuverlässig, aber nicht immer fehlerfrei. Gelegentlich werden Fehler übersehen oder falsch eingeordnet. In solchen Fällen ergänze oder justiere ich manuell nach, bis die Markierung dem entspricht, was ich auch bei einer analogen Korrektur vertreten würde. Erst wenn ich mit dem Ergebnis zufrieden bin, kopiere ich die markierte Version (hier für PurePaste deaktivieren, sonst werden die Markierungen nicht mitkopiert) unter den transkribierten Schülertext in Apple Notes, um sie für eventuelle Rückfragen dokumentiert zu haben.
Die Übertragung der Markierungen in den handschriftlichen Schülertext erfolgt anschließend manuell: Ich unterstreiche alle sprachlich fehlerhaften Stellen rot – exakt an den Positionen, die von der KI markiert wurden. Ob dies im Sinne der De-Implementierung notwendig ist, lässt sich sicher diskutieren. Für die Klausurrückgabe hat sich dieser Schritt jedoch bewährt: Die Schüler sehen so auf einen Blick, wo sich sprachliche Schwächen im eigenen Text befinden, ohne dass sie lange zwischen digitalem Feedback und analogem Originaltext hin- und herspringen müssen. Diese visuelle Klarheit erleichtert den Einstieg in die Überarbeitung.
Wichtig: Ich markiere ausschließlich sprachliche Fehler im Originaltext. Inhaltliche Aspekte werden nicht mehr separat im Klausurdokument angestrichen oder kommentiert. Das Feedback zur inhaltlichen Leistung erfolgt ausschließlich über die digitale Rückmeldung, die wir im Anschluss gemeinsam mit der KI formulieren. Ebenso verzichte ich bewusst auf sogenannte Positivkorrektur im Schülertext selbst – also das Hervorheben besonders gelungener Formulierungen oder Strukturen. Stattdessen fließt diese wertschätzende Rückmeldung gebündelt in das abschließende Feedbackdokument ein, das die Schüler als digitale Datei erhalten.
🧠 Sprachliche Bewertung: Bauchgefühl trifft Systematik
Nachdem ich die Markierungen im Schülertext übernommen habe, folgt die Einordnung der sprachlichen Leistung. Wer regelmäßig Klausuren korrigiert, weiß: Meist entwickelt man schon beim ersten Lesen ein recht klares Bauchgefühl für die sprachliche Qualität eines Textes. Der aufwändigere Teil ist meist nicht die Einschätzung an sich, sondern das präzise Formulieren, Annotieren und strukturierte Zuordnen zu den jeweiligen Bewertungskategorien.
Genau an dieser Stelle setze ich wieder die KI ein. Mithilfe unseres umfangreichen Prompts fragt sie nach Abschluss der Korrektur automatisch, ob sie nun zur sprachlichen Bewertung übergehen soll. Dies bejahe ich – mit dem Zusatz, dass ich mir die Bewertung bitte detailliert aufgeschlüsselt nach den Kategorien der Bewertungsmatrix wünsche. Diese Matrix wurde vorab mit hochgeladen und basiert auf einer erweiterten Version der IQB-Niveaubeschreibungen für die Bewertung der sprachlichen Leistung, speziell angepasst für die Anforderungen der 11. Klasse.
Wichtig ist mir dabei: Die Bewertung selbst bleibt selbstverständlich in der Verantwortung der Lehrkraft. Ich empfehle ausdrücklich, die KI hier nicht autonom entscheiden zu lassen. Vielmehr verstehe ich die automatisierte Einordnung als strukturierte Rückmeldung, die mein eigenes Urteil stützt, ergänzt oder in seltenen Fällen hinterfragt. In der Regel hat sich gezeigt, dass meine anfängliche Notentendenz in der Regel durch die Rückmeldung bestätigt wird – was ich vor allem auf die sehr sorgfältige Bereitstellung von Erwartungshorizont, Musterlösung und Bewertungsmatrix zurückführe.
Man kann der KI bei Bedarf auch die eigene Notentendenz vorab mitteilen. Ich persönlich halte mich damit meist zurück – einfach, um unbeeinflusste Rückmeldungen zu erhalten. Falls nötig, kann ich anschließend immer noch gezielt nachsteuern. Die Auflistung sieht dann so in etwa so aus:
Auch in diesem Schritt überprüfe ich die Rückmeldung sorgfältig und gleiche sie mit meiner eigenen Einschätzung ab. Bisher war es selten nötig, größere Anpassungen vorzunehmen – ein Zeichen dafür, wie tragfähig ein guter Erwartungshorizont und ein präziser Prompt sein können. Es kann aber vorkommen, dass Ungereimtheiten auftreten; in diesen Fällen merke ich diese an und lasse mir die Auflistung erneut geben.
Scrollt man nun bis zum Ende herunter erhält man in der Regel eine Gesamteinschätzung, die der eigenen entspricht:
✍️ Formulierung des Feedbacks (Sprache)
Im Anschluss an die Bewertung der sprachlichen Leistung bitte ich die KI darum, ein individuelles Feedback zum Schülertext zu formulieren und sich an den Vorlagen, die wir einkopiert haben hinsichtlich Struktur und Aufbau zu orientieren. Grundlage dafür ist die zuvor gemeinsam festgelegte Note, ergänzt durch die Markierungen und Beobachtungen aus der Korrektur. Wichtig ist mir dabei, dass das Feedback tatsächlich auf den konkreten Schülertext Bezug nimmt – also nicht nur allgemeine Formulierungen enthält, sondern spezifische Stärken und Schwächen benennt.
Das Feedback soll auch konkrete Formulierungsvorschläge enthalten, die dem Schüler eine gezielte Weiterentwicklung bei der Berichtigung ermöglichen. Neben den Defiziten werden dabei stets auch Stärken hervorgehoben – ganz im Sinne eines ausgewogenen und lernförderlichen Rückmeldesystems. Was die KI einem dann gibt, sieht ungefähr so aus:
Das generierte Feedback muss selbstverständlich nochmals durchgelesen und – falls nötig – angepasst werden. Danach wird es in das individuelle Word-Dokument (Beispiel kann hier heruntergeladen werden) des jeweiligen Schülers einkopiert (hierfür wieder PurePaste aktivieren), das dann bei der Klausurrückgabe jeder erhält und die Basis für die Berichtigung bildet.
📚 Inhaltliche Bewertung und Feedback zum Inhalt
Die inhaltliche Bewertung erfolgt analog zur sprachlichen: Auch hier lasse ich zunächst die KI eine strukturierte Rückmeldung anhand von Erwartungshorizont und Musterlösung erstellen – ohne vorher meine eigene Notentendenz mitzuteilen. So bleibe ich unvoreingenommen und erhalte eine klare Übersicht darüber, was inhaltlich erfüllt wurde und was nicht. Hier ein Auszug vom Ende des Dialogs:
Die finale Bewertung treffe ich selbstverständlich auch hier selbst. Gegebenenfalls korrigiere ich einzelne Punkte oder gewichte Aspekte anders. Anschließend bitte ich die KI darum, ein individuelles Feedback zur inhaltlichen Leistung (Beispiel hier herunterladen) zu formulieren. Dabei ist zentral, dass sich die Rückmeldung auch hier explizit auf den Schülertext bezieht und sowohl Stärken als auch Schwächen benennt – inklusive konkreter Verbesserungsvorschläge, sofern sinnvoll und möglich.
✅ Fazit zu diesem Verfahren der Korrektur: Mehr Transparenz, mehr Qualität – bei deutlich weniger Aufwand
Sobald beide Feedbacktexte – zur sprachlichen und zur inhaltlichen Leistung – erstellt sind, kopiere ich sie in ein individuelles Word-Dokument für jede/n Schüler/in. So erhält jede/r ein persönliches Feedbackgutachten zur eigenen Klausur, in dem die Bewertung dokumentiert ist. Wie in dem ersten Artikel schon geschildert, ist es auch die Grundlage für die Berichtigung, die in der Stunde der Klausurrückgabe angefertigt wird. Hierzu lässt sich der nun freie Korrekturrand auf dem Klausurpapier übrigens sehr gut nutzen (Empfehlung: Den SuS sagen, dass die Berichtigung am Rand in einer anderen Farbe als als rot und die, mit der sie die Klausur geschrieben haben, erfolgen soll)
Ich hoffe, dass ich mit der präziseren Darstellung meines Vorgehens deutlich machen konnte, wie sich der gesamte Korrekturprozess mit KI in der Praxis gestalten kann – und welche echten Erleichterungen sich dabei ergeben.
Gerade die automatisierte Transkription der handschriftlichen Texte hat sich als echter Gewinn erwiesen: Auch wenn der gesamte Ablauf auf den ersten Blick sehr umfangreich wirkt, entwickelt sich mit etwas Routine ein effizienter Korrektur-Flow. Für den kompletten Satz an Klausuren – von der Transkription über die sprachliche und inhaltliche Bewertung bis hin zur Erstellung der individuellen Feedbacktexte – benötigte ich lediglich einen einzigen vollen Arbeitstag am Wochenende. Für eine (Englisch-)Klausur in der E-Phase ist das ein sehr deutliches Zeitersparnis.
Auch die Rückmeldungen meiner Lerngruppe bestätigen den positiven Gesamteindruck: Das schriftliche Feedback, das sie im Anschluss an ihre Klausur erhalten, wird als besonders hilfreich empfunden – vor allem, weil es deutlich differenzierter und konkreter ausfällt als herkömmliche Randkommentare. Auch wenn einiges davon letzten Endes mit KI generiert wird: Individualisierte Hinweise, Formulierungsvorschläge und gezielte Verbesserungstipps machen diesen Ansatz nicht nur effizienter für mich als Lehrkraft (wobei hier die KI als Ko-Autor fungiert), sondern vor allem auch lernwirksamer für die SuS.
Diese Form der KI-gestützten Korrektur ist aus meiner Sicht ein zukunftsweisender Schritt, der mehr Einzug in den schulischen Alltag erhalten sollte – und ich spreche mich, wie bereits in meinem vorherigen Beitrag, auch weiterhin ausdrücklich dafür aus.